Ich nehme dich heute mit auf meine Kreativreise – von A wie Auftrag bis Z wie finale Zeichnung. Ich bin sicher, du kannst einige Steps auch für dich selbst nutzen, wenn du auf Lösungssuche bist. Auch wenn du nicht zeichnest.

Du erfährst in diesem Artikel:

  • woher ich Ideen bekomme und ob ein System dahinter steckt
  • wie sich sukzessive die EINE Idee herauskristallisiert
  • und natürlich wie das finale Weinetikett, um das es in diesem Beispiel geht, ausschaut

Für einen gemeinnützigen Verein, der sich für das Wohl von Kindern und der Gemeinschaft generell einsetzt, wurde ich gefragt, ob ich ein Wein-Etikett für einen 2022er Grauburgunder mit einer Zeichnung von mir designen kann. Jährlich verschenkt der Verein an Förderer und Sponsoren einen regionalen Wein als Dankeschön, der speziell etikettiert wird.

Ja klar, was für eine Frage! Sehr gerne, so etwas wollte ich schon immer mal gestalten!

Starten wir mit meinen Kreativprozess!

LOS Visual

Zu Beginn ist es wichtig für mich, die Wahrnehmung für das Thema zu schärfen. Vielleicht kennst du das: du möchtest dir ein neues Auto kaufen, sagen wir zum Beispiel einen BMW X1. Auf einmal siehst du überall auf der Straße diesen Wagen oder die Marke. Es kommt dir vor, als gäbe es dieses Auto plötzlich öfter. Das ist nicht der Fall, nur ist dein Fokus geschärft.

1 Verbinden und brainstormen

Und so mache ich es auch. Ich verbinde mich mit dem Thema Wein: die Weinsorte, Trauben, das Weingut, die Winzer. Ich sammle alles was mir über den Weg läuft zu diesem Thema. Zum Beispiel Fotos auf Instagram, schaue mir Webseiten von Weingütern an, fahre ins nahegelegene Rheingau, sammle Flyer von Weingütern, trinke auch mal einen Grauburgunder 😉 In diesem Fall habe ich mir zusätzlich noch einiges über den Verein angesehen. Wofür setzen sie sich ein, wer sind die Menschen dahinter, was waren vergangene Projekte.

Stelle dir meinen Kopf wie einen Trichter vor, der weit geöffnet ist.

Zeichnung Mindmap

Oft erstelle ich eine Mindmap. Damit sammle ich alle Themen, die ich in der ersten Phase entdecke. Gleichzeitig sortiere ich den Input zu einer Kategorie dazu. So kristallisieren sich leichter Schwerpunkte heraus und Ansätze, die ich gestalterisch in der Zeichnung verfolgen kann.

Die besten Zeichen-Ideen bekomme ich übrigens in der Nacht. Deswegen freue ich mich, wenn ich mal nicht schlafen kann oder zu früh aufwache. Vielleicht weil alles um mich herum ruhig ist und keine störenden Reize da sind. Auf jeden Fall habe ich am Bett immer mein Notizbuch und Stifte.

2 Erste Skizzen

Jetzt sind wir quasi im oberen Teil des Trichters angekommen. Ich nutze meine Mindmap, meine nächtlichen Ideen und starte mit ersten Skizzen. Ohne Anspruch, es richtig zu zeichnen, transformiere ich meine Gedanken aufs Blatt. Die sind meistens noch ganz grob. Als ob wir beide ein Bier trinken würden und ich dir auf einem Bierdeckel skribbeln würde, was ich meine. Das sind oft recht viele Ideen, im Fall des Etiketts waren es 9 Ideen.

Das ganze ist an 2-3 Tagen geschehen. Oft gehe ich auch raus in die Natur. In dem Fall bin ich einfach durch die Weinberge (im Januar!) gelaufen. Doch auch im Januar gibt es was zu entdecken. Zum Beispiel alte Rebstöcke, abgeschnittene Zweige, gelbe oder braune Blätter, den Geruch der Erde, den Weitblick über Fluss und Berge uvm.

Folgende Gedanken habe ich dadurch zeichnerisch umgesetzt:

  • das Schloss, auf der das Weingut angesiedelt ist
  • die runde Form des Logos
  • das große „R“ vom Schloss Rheingut
  • das „K“ von Kiwanis in Form eines Rebzweiges
  • die Überlegung, zu welchen Speisen ein Grauburgunder gut passt (Meeresfrüchte, Fisch)
  • ein Rebenzweig mit Maiwuchs, also kleinem Blatt – als Verbindung zu den Kindern und deren Entwicklung
  • die Kiwanis-Kinder
  • die 55%ige Steigung der Weinberge im Weinbaugebiet, die Steillagen sind
  • das Schloss Rheinburg

Einige Beispiele von ersten Skizzen siehst du hier:

Skizze Weinetikett 1
Skizze Weinetikett 2
Skizze Weinetikett 3

3 Der Auswahlprozess

Nun sind wir schon in der Mitte des Trichters. Hier sortiere ich erstmal aus. Nicht alle Skizzen taugen. Manche sind nicht kreativ genug, manche vielleicht zu sehr. Einige werden ggf. nicht verstanden. Um das besser herauszufinden, mache ich oft den Test mit einer anderen Person.

Zeichnung Entwürfe stilisiert

Meine Schwester als Architektin hat ein gutes Auge, weiß aber nicht zu viel von meinem Beruf. Deswegen ist sie oft ein tolles Testkaninchen. Auch meine Tochter muss manchmal herhalten.

Im Fall des Weinetiketts haben „nur“ 6 Ideen überlebt. Es wurde ein guter Mix aus sachlichen und emotionalen Ideen. Es sind übrigens die Ideen, die ich im oberen Abschnitt „Gedanken“ fett markiert habe.

Anschließend zeichne ich diese Ideen schon genauer. Hier kommt nicht mehr nur ein Bleistift zum Einsatz, sondern ein Marker und Farbstifte oder Aquarellfarben. So probiere ich aus, was gut harmoniert und wie sich die Wirkung mit anderen Farben verändert.

Ich matche manchmal zwei Ideen zusammen oder kombiniere Dinge neu.

Dabei überlege ich mir auch schon das Format. Passt zur entsprechenden Weinflasche besser ein Quer-oder Hochformat? Wie macht es das Weingut bisher? Welche Farben nutzen sie? Welche Farben nutzt der Verein? Welcher „Text“ muss drauf? Ist die Flasche grün oder braun? All das hat einen Einfluss auf die Zeichnung.

Auch überlege ich mir ein grafisches Konzept, das heißt, die Anordnung der Elemente des Textes und der Zeichnung im Zusammenspiel.

Hier siehst du konkret die 6 Skizzen, die ich angefertigt habe.

4 Das „Coming out

Zeichnung Menschen im Gespräch

Diese Entwürfe bespreche ich mit meinen Kunden detailliert, bevor es in die weitere Umsetzung geht. Ein spannender und aufregender Moment für mich. Wie kommen die Entwürfe an? Ist was Gutes dabei? Können Sie mir folgen?

Meist gehe ich mit Herzklopfen in eine solche Präsentation. Gerade bei neuen Kunden kann ich das ja noch nicht einschätzen, ob die Richtung stimmt.

Die Kunden entscheiden dann, was davon weiter ausgearbeitet wird oder welche Änderungen sie wünschen. In dem Fall gab es einen klaren Favoriten. Das Kiwanis-K konnte überzeugen. Die realistische Zeichnung und Stilisierung des K sowie die Idee mit dem kleinen Blatt als Symbol für Entwicklung und Wachstum eingebettet in die dortige Landschaft haben überzeugt.

Dann erstelle ich die Zeichnung auf dem iPad. Dafür nutze ich Adobe Fresco. Ich suche passende Schriftarten aus. Und setze alles zusammen.

Dann wieder der spannende Moment: Was sagt mein Kunde?

Leider waren die Farbgebung und die Horizontlinie noch nicht ganz zufriedenstellend. Es war zu viel Blau (Das Blau des Vereins) drin, der Kunde wollte eher etwas natürlicheres. Die Berge im Horizont passten noch nicht perfekt. Die Schloss-Silhouette sollte ganz weggenommen werden.

Zudem fiel mir ein, dass ich mal in einem Weinseminar gelernt habe, dass die Farbe Blau einen Wein verwässert (ein anderes Thema…). Und irgendwie fand ich im Supermarkt auch so gut wie keine blauen Etiketten. Machte also irgendwie Sinn, die Farbe zurückzuschrauben.

Ich habe im 2. Entwurf das Blau des Zweiges damit blasser gestaltet, die Schrift etwas angepasst.

Weinetikett 1
Erster Entwurf
Weinetikett 2
Zweiter Entwurf
Weinetikett final
Finale Version

Das folgende Video zeigt im Zeitraffer, wie das Etikett entstanden ist:

5 Finaaaale!

Weinflasche mit Etikett von Peggy Norbisrath

In der 2. Korrekturphase werden weitere Änderungswünsche eingearbeitet. Die Farbgebung des Zweiges wurde von blau in braun-gold geändert, das Blatt grüngefärbt. Im oberen rechten Teil wurde noch ein regionales Logo eingearbeitet. Der Schriftzug „Special Edition“ wurde in Gold angelegt, um die Exklusivität zu betonen.

Erst wenn mein Kunde komplett zufrieden ist, erteilt er die Freigabe, damit ich die gewünschten Formate und Dateien für den Druck erstellen kann.

Aktuell befinden sich die Weinetiketten im Druck. Ich bin gespannt auf die fertig etikettierten Flaschen. Und natürlich auf ein Exemplar des edlen Tröpfchens, welches mir zugesichert wurde.

Kreativreise-Trichter
Visuelle Zusammenfassung des Kreativprozesses

Möchtest du auch mit Illustrationen hervorstechen und deine Themen auf den Punkt bringen?

Hier findest du weitere Infos zu Illustrationen.


1 Comment

Claudia Margarete Heer · 30. September 2023 at 21:17

Wow, wie toll du das beschrieben hast. Jetzt erst wird mir bewusst, wie viel Tiefe deine Arbeit beinhaltet und mit wie viel Aufwand das verbunden ist. Ich bin sehr beeindruckt. Unglaublich wertvoll.

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